Stefan Mogk

Forschung

Die afrikanische Schlafkrankheit

Dass blutsaugende oder -leckende Insekten lästig und deren Stiche oder Bisse mitunter schmerzhaft sind, hat jeder schon am eigenen Leib erfahren. Doch als Bewohner gemäßigter Breiten sind wir uns oft gar nicht bewusst, wie viele Krankheiten Zecken (FSME/Borreliose), Sandfliegen (Leishmaniose) oder bestimmte Mücken (Malaria/Flussblindheit) übertragen können. Ganz anders ergeht es den Menschen im afrikanischen Tropengürtel, unter dessen klimatischen Bedingungen sich viele Krankheitsüberträger (Vektoren) erst so richtig wohl fühlen.

Lange stellte die afrikanische Schlafkrankheit eine große Bedrohung für die Bewohner zwischen dem 14. nördlichen und dem 20. südlichen Breitengrad dar. In den letzten 120 Jahren gab es drei schwere Epidemien (1896-1906, 1920-1940 und um 1970), denen hunderttausende Menschen zum Opfer fielen [1.1] [1.2]. Doch nicht nur Menschen, sondern auch einheimische Tierarten (Antilopen, Büffel, Riesenhamsterratten, Hyänen, Löwen) und eingeführte Nutztiere (Hausrinder, Schafe, Schweine) können infiziert werden, so dass gleichzeitig ein enormer wirtschaftlicher Schaden in der Nutztierhaltung hinzukam.

Trypanosomen

Bei den Erregern der afrikanischen Schlafkrankheit handelt es sich um parasitäre Einzeller, sogenannte Trypanosomen, die mit dem Speichel der beißenden Tsetsefliege auf den Menschen übertragen werden [2.1]. Die Trypanosomen vermehren sich zuerst im Bereich des primären Infektionsherds (wo es oft zu einem typischen „Schanker“ kommt) und gelangen dann mit der Lymphflüssigkeit ins Blut. Das folgende Krankheitsstadium wird deshalb auch als hämolymphatisch bezeichnet. Es ist gekennzeichnet durch generelles Krankheitsgefühl, Lymphknotenschwellungen, Kopf-, Gelenk- und Muskelschmerzen, Fieber mit Schüttelfrost, Gewichtsverlust und Blutarmut [2.1]. Je nach Erreger dauert es wenige Wochen bis Monate, bevor die Parasiten aus dem Blut ins Gehirn einwandern. Der Begriff „Gehirn“ allerdings ist weit gefächert, so dass zuletzt lebhaft diskutiert wurde, welche Bereiche denn hier tatsächlich befallen sind – und in welcher Reihenfolge. Jeder weiß, die Schokolade ist nach dem Essen im Bauch – doch ist sie deswegen wirklich innerhalb des Körpers [2.2], [2.3], [2.4], [2.5]? Trypanosomen, die mit dem Blut durch das Gehirn zirkulieren, sind funktional gesehen nicht im Gehirn. Liquor und Hirnhäute, die von Trypanosomen befallen sind, gehören auch nicht zum Gehirnparenchym. Erst Parasiten, die sich zwischen Nervenzellen befinden zählen dazu. In diesem Zusammenhang müssen auch zwei unterschiedliche Infektionswege betrachtet werden, nämlich über die Blut-Hirn- (BHS) oder die Blut-Liquor-Schranke (BLS). Es ist wahrscheinlich, dass beide Wege eine Rolle spielen. Zuerst scheinen die Parasiten vorrangig über die BLS in die Gehirnflüssigkeit zu gelangen. Von dort besiedeln sie die Hirnhäute, sodass es zu einem ventrikulär-meningealen Stadium kommt. Es treten Verwirrungszustände, Koordinationsschwierigkeiten, Sinnesstörungen, Fragmentierung der Schlaf-/ Wachzyklen, Krämpfe und Apathie auf [2.1]. Gleichzeitig gelangen immer wieder Trypanosomen über die BHS. Zuerst nur wenige, die von Abwehrzellen in Schach gehalten werden. Mit zunehmender Entzündungsreaktion wird die BHS dann immer durchlässiger. Spätestens jetzt können wir von einem enzephalitischen Stadium sprechen. Unbehandelt endet die Krankheit in fast allen Fällen tödlich. Allerdings wurde zuletzt auch von asymptomatischen Krankheitsträgern berichtet, in denen die Parasiten unbemerkt im Fettgewebe persistieren [2.6], [2.7] , [2.8], [2.9], [2.10].

Situation heute

Aufgrund der schwachen Kaufkraft der betroffenen Länder stand die Schlafkrankheit in einer Reihe mit anderen vernachlässigten Krankheiten, gegen die teure Medikamentenentwicklung nicht rentabel erschien. So stehen auch heutzutage nur einige wenige Medikamente zur Verfügung, die teils mit schwerwiegenden Nebenwirkungen einhergehen. Dank systematischer Fliegenkontrolle (einfach aufzustellende Fliegenfallen, Aussetzen von sterilisierten männlichen Tsetsefliegen, gezieltem Einsatz von Insektiziden), sinkt die Zahl der Neuinfektionen seit 1995 (30 – 300 Tsd. Fälle) stetig. Hinzu kommen politische Stabilität und wirtschaftliche Entwicklung (Bau von dichten Häusern, Einsatz von Vergrämungsmitteln) und die konsequente medizinische Behandlung. Im Jahr 2017 wurden weniger als 1500 Neuinfektionen gezählt, 2018 war die Schlafkrankheit in bestimmte Regionen (West-Nil-Region) nahezu ausgerottet. Die Weltgesundheitsorganisation ging davon aus, dass die Krankheit bis 2020 besiegt sein würde [3.1]. Dennoch bleibt die Trypanosomen-Forschung aus zwei Gründen enorm wichtig: zum einen stellen die Parasiten einen gut verstandenen Modellorganismus dar, der sich in der Evolution sehr früh abgespalten und bis heute erhalten hat. Zum anderen besteht das Risiko, dass die Tsetsefliege mit zunehmender Klimaerwärmung in neue Habitate einwandert oder dass aufflammende politische Unruhen (Kriege, Völkerwanderungen, verringerter Fliegenschutz) in Afrika zu erneuten Ausbrüchen führen.

Die Blut-Hirn-Schranke (BHS)

Da menschliches Gehirngewebe erst nach dem Tod untersucht werden kann, sind direkte Erkenntnisse über den Infektionsverlauf beim Menschen äußerst begrenzt. Eine Autopsie müsste unmittelbar nach dem Tod erfolgen, um die Parasiten vor ihrer Zersetzung nachweisen zu können. In Endemiegebieten sind solche zeitnahen histologischen Nachweise von Trypanosomen im menschlichen Gehirn schwer durchzuführen [4.1] – die Forschung stützt sich daher vor allem auf Tiermodelle.

In Studien mit verschiedenen Trypanosomenarten konnten die Erreger zwischen dem 21. und 63. Tag nach Infektion im Gehirn von Versuchstieren nachgewiesen werden [4.2], [4.3], [4.4], [4.5]. Diese Infektionen gingen meist mit entzündlichen Prozessen einher, darunter Zellansammlungen entlang der Blutgefäße, Blutungen und Demyelinisierung in subkortikalen Bereichen [4.1], [4.6], [4.7]. Bildgebende Verfahren wie MRT zeigten auffällige Veränderungen in der weißen Substanz, ähnlich wie bei Leukoenzephalitis [4.8], [4.9]. Auch Läsionen in der grauen Substanz, im Kleinhirn und Hirnstamm wurden dokumentiert [4.10]. Mikroskopische Untersuchungen bestätigten das Vorhandensein von Trypanosomen im Parenchym der weißen und grauen Substanz, oft in unmittelbarer Nähe zu Blutgefäßen [4.11], [4.12], [4.13], [4.14]. Diese Befunde wurden lange als Beleg dafür gewertet, dass die Parasiten die BHS durchbrechen können.

Wurden Ratten mit besonders hohen Dosen fluoreszierender Trypanosomen infiziert, fand man die Erreger bereits nach wenigen Stunden neben den Blutgefäßen [4.15]. Es wurde vermutet, dass die Parasiten die Tight Junctions – die engen Verbindungen zwischen Endothelzellen – mithilfe von Enzymen wie Metalloproteasen, Oligopeptidasen und der Cysteinprotease Cathepsin L (auch Brucipain genannt) auflösen und so parazellulär ins Gehirn gelangen [4.11], [4.16]. Doch es gibt auch Zweifel: Möglicherweise nutzen die Trypanosomen stattdessen den Virchow-Robin-Raum – einen mit Liquor gefüllten Zwischenraum zwischen Gefäßwand und Astrozyten – als Zugang. In diesem Fall wäre nicht die BHS, sondern die BLS das eigentliche Eintrittstor [4.17]. Anatomisch betrachtet wären die Parasiten dann noch außerhalb des eigentlichen Gehirns – ähnlich wie gerade gegessene Schokolade im Verdauungstrakt, aber eben doch außerhalb des Körpergewebes ist.

Ein künstliches Modell mit kultivierten Hirnendothelzellen zeigte, dass T. b. gambiense die Barriere schneller durchquert als T. b. brucei, begleitet von einem messbaren Abfall der elektrischen Impedanz [4.18]. Die Fliegenform der Trypanosomen konnte die Schranke weder überwinden noch sich am Endothel anheften.

Die Passage von T. b. rhodesiense ließ sich hemmen, wenn die Parasiten mit einem Cathepsin-L-Inhibitor behandelt wurden oder die Endothelzellen mit Calcium-Chelatoren oder PLC-Hemmern vorbehandelt waren [4.19]. Es wurde spekuliert, dass Brucipain über einen Protease-aktivierten Rezeptor wirkt, der eine Signalkaskade auslöst und letztlich zu einer Öffnung der Tight Junctions führt. Experimente mit Wistar-Ratten zeigten hingegen, dass Trypanosomen nach intraperitonealer Infektion zwar in den Blutgefäßen des Gehirns sichtbar waren, jedoch nie ins umliegende Gewebe eindrangen [4.17]. Selbst bei direkter Injektion ins Gehirn blieben sie lokal begrenzt und überlebten maximal 72 Stunden [4.20]. Es kam nicht zu einer systemischen Ausbreitung – stattdessen zeigten die Parasiten Anzeichen von Apoptose [4.17], [4.20].

Ähnliche Ergebnisse ergaben sich bei Versuchen mit neugeborenen Mäusen oder bei mechanischer Zerstörung der BHS [4.21]. In der Summe wurde geschlussfolgert, die BHS spiele eine geringere Rolle im Infektionsverlauf als bis dato angenommen: selbst wenn einzelne Trypanosomen die BHS überwinden können, überleben diese nicht lange im Gehirnparenchym. Ihr Abbau erfolgt vermutlich durch Mikroglia [4.22], [4.23], [4.24]. Entscheidend wird die BHS erst im späten Stadium der Erkrankung, wenn eine geringe, aber dauerhafte Parasiteninfiltration zum Zusammenbruch der Schranke führt.

Die Blut-Liquor-Schranke (BLS)

Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts wurde beobachtet, dass Trypanosomen im Liquor von Patienten mit afrikanischer Schlafkrankheit vorkommen [5.1] – ein erster Hinweis darauf, dass diese Parasiten über die BLS ins zentrale Nervensystem gelangen können. Spätere Studien rückten den Plexus choroideus, der für die Produktion des Liquors verantwortlich ist, ins Zentrum der Aufmerksamkeit [5.2].

Experimente mit T. b. rhodesiense-infizierten Meerkatzen und Ziegen zeigten, dass die Parasiten die BLS tatsächlich überwinden können [5.3] [5.4] [5.5] [5.6]. Dabei wandern sie über die durchlässigen (weil fenestrierten) Endothelzellen der Blutgefäße in das lockere Bindegewebe des Plexus-Stromas. Anschließend durchqueren sie die Epithelzellschicht, die normalerweise durch Tight Junctions versiegelt ist, und gelangen in den Liquor. Von dort aus werden sie entweder passiv mit dem Liquorstrom oder aktiv schwimmend zu verschiedenen Hirnstrukturen transportiert – etwa zu den Hirnhäuten, in den Subarachnoidalraum oder in die Virchow-Robin-Räume [5.7]. Auch die circumventrikulären Organe, die eine ähnliche Barriere wie die BLS besitzen, werden dabei besiedelt [5.8].

Die Passage durch die BLS scheint durch eine Immunreaktion begünstigt zu werden, die von den Parasiten selbst ausgelöst wird [5.3]. Ein von Trypanosomen freigesetzter Faktor aktiviert Lymphozyten, was zur Produktion von Interferon-γ führt [5.9]. Dieses wiederum stimuliert Makrophagen zur Ausschüttung von entzündungsfördernden Molekülen wie Interleukinen, TNF-α und Stickstoffmonoxid. In infizierten Meerkatzen wurden erhöhte Konzentrationen dieser Stoffe im Liquor gemessen – was möglicherweise langfristig auch die Durchlässigkeit der BHS erhöht [5.10].

Interferon-γ fördert außerdem die Expression von CXCL-10 in Astrozyten, wodurch Immunzellen ins Gehirn gelockt werden. Mäuse, denen CXCL-10 oder der Interferon-γ-Rezeptor fehlt, zeigen deutlich geringere oder gar keine Hirninfektionen [5.3]. Das unterstreicht die doppelte Rolle von Interferon-γ: Es aktiviert das Immunsystem, erleichtert aber auch die Ausbreitung der Parasiten im Gehirn [5.11]. Die Infektion des Liquors und der Hirnhäute scheint somit eine Voraussetzung dafür zu sein, dass Trypanosomen später auch das Hirngewebe erreichen. Interessanterweise überleben die Parasiten nicht, wenn sie direkt ins Hirnparenchym injiziert werden. Gelangen sie jedoch in die Ventrikelräume, also direkt in den Liquor, kann sich die Infektion bis ins Blut ausbreiten [5.12] [5.13].

Elektronenmikroskopisch wurde der Weg der Parasiten über die BLS in Ratten nachgezeichnet: Untersuchungen bestätigen, dass Trypanosomen sowohl im Gefäßlumen als auch im Stroma des Plexus choroideus vorkommen [5.12]. Die eigentliche Barriere der BLS haben die Parasiten zu diesem Zeitpunkt erst noch vor sich: die Basalmembran und die Epithelzellschicht des Plexus [5.14] [5.15]. Dies ist der Ort, an dem der Liquor durch Ultrafiltration und aktive Transportprozesse gebildet wird. Es wurde nachgewiesen, dass Trypanosomen die Epithelzellen des Plexus choroideus durchwandern und in die mit Liquor gefüllten Hirnventrikel von Ratten gelangen [5.12]. Die Konzentration der Trypanosomen im Liquor schwankt und folgt der wellenförmigen Parasitämie im Blut mit einer kurzen zeitlichen Verzögerung [5.13]. Im Liquor zeigen die Parasiten eine deutlich längere und schlankere Morphologie als jene im Blut [5.17] [5.18]. Dieser Unterschied scheint unabhängig von der bekannten (durch Zelldichte gesteuerten) Differenzierung von long slender zu short stumpy Formen zu sein, die man aus dem Blut kennt [5.19] [5.20].

Es wurde diskutiert, dass die sterische Hinderung beim Durchtritt durch die Epithelzellschicht des Plexus für lange, dünne Trypanosomen geringer ist als für dickere Formen [5.18]. Je schlanker die Parasiten also sind, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie die Zellschicht überwinden können – was zu einer Anreicherung von langen und dünnen Trypanosomen im Liquor während des Transmigrationsprozesses führt [5.18].

Der Liquor selbst enthält offenbar trypanotoxische Substanzen, möglicherweise Neuropeptide [5.12] [5.21], was ihn zu einem ungünstigen Dauerhabitat macht. Hier kommt den Parasiten eventuell ihre hohe Beweglichkeit und ein gerichtetes Schwimmverhalten zugute, hilft es ihnen doch das Ventrikelsystem zu verlassen und in den Subarachnoidalraum zu gelangen [5.22] [5.4] [5.18]. Dort, in der geschützten Umgebung der Pia mater, wurden dichte Parasitenansammlungen nachgewiesen [5.12].

Obwohl die Hirnhäute nicht vollständig immunprivilegiert sind [5.23], wird diskutiert, ob sie als Reservoir für langanhaltende, symptomarme Infektionen dienen könnten [5.24] [5.25] [5.26] [5.27] [5.28] [5.7]. Die Grenze zwischen Hirnhäuten und Hirngewebe bildet die Glia limitans superficialis – eine Basalmembran unterhalb der Pia mater. Diese Barriere wurde in Versuchen mit T. b. brucei nicht überwunden [5.7]. Das bedeutet: Auch wenn Trypanosomen die BLS durchqueren, bleiben sie anatomisch außerhalb des eigentlichen Gehirns – zumindest im Stadium der ventrikulär-meningealen Besiedlung [5.29].

Laborstudien zur Blut-Liquor-Schranke

Moderne Zellkulturtechniken ermöglichen es, die BLS im Labor nachzubilden und gezielt zu untersuchen. Forscher kultivierten humane Plexusepithelzellen (HIBCPP-Zellen) auf durchlässigen Membranfiltern, um eine künstliche Barriere zu erzeugen, die der natürlichen BLS ähnelt. Nach dem Umdrehen der Filter und Erreichen der Zellkonfluenz bildeten sich funktionelle Tight Junctions - ein entscheidender Bestandteil der Schranke [6.1], [6.2], [6.3], [6.4].

Die Barrierequalität wurde durch elektrische Widerstandsmessungen (TEER) und Farbstofftests bestätigt. Anschließend wurden Trypanosomen in das obere Kompartiment (analog zum Plexusstroma) eingebracht, und ihre Passage in das untere Kompartiment (Liquorraum) mittels qPCR quantifiziert [6.5].

Erkenntnisse aus der künstlichen BLS [6.5]:

  • Nur lebende Trypanosomen konnten die Zellschicht durchqueren - fixierte Parasiten blieben zurück.
  • Die Passage erfolgte parazellulär, also zwischen den Zellen hindurch, ohne die Barrierefunktion zu beeinträchtigen.
  • Die Transmigration war aktiv und temperaturabhängig, mit einem Höhepunkt 60-120 Minuten nach Zugabe.
  • Störungen der Tight Junctions durch Cytochalasin D beschleunigten die Passage.
  • Ein Knockdown der Metalloprotease MSP-B hatte keinen Einfluss - enzymatische Öffnung scheint nicht notwendig.
  • Auch prozyklische Formen (Fliegenstadium) konnten die Schranke überwinden, wenn auch weniger effizient.
Experimente mit deformierten Trypanosomen (FAT-Phänotyp) zeigten: Die Zellform und Beweglichkeit sind entscheidend. Ballonartige Zellen oder durch Ciliobrevin A gelähmte Parasiten hatten eine deutlich reduzierte Transmigration. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Parasiten die Zellverbindungen mechanisch auseinanderdrücken - ein „Durchschlüpfen”, bei dem schlanke Formen im Vorteil sind [6.5], [6.6].

Schlafstörungen als zentrales Symptom der Schlafkrankheit

Die afrikanische Schlafkrankheit trägt ihren Namen nicht zufällig: Betroffene leiden unter einem gestörten Schlaf-Wach-Rhythmus mit nächtlicher Schlaflosigkeit und übermäßiger Tagesschläfrigkeit. In fortgeschrittenen Stadien verfallen Patienten in einen Dämmerzustand, der zu Mangelernährung und sekundären Infektionen führen kann [7.1]. Infizierte Ratten zeigen ähnliche Schlafstörungen und zirkadiane Rhythmusveränderungen [7.2], [7.3], [7.4].

Mögliche Ursachen der Schlafinduktion:

  • Trypanosomen produzieren Prostaglandin D₂ [7.5], [7.6], [7.7] und Tryptophol [7.8], [7.9], [7.10] - beides Moleküle mit schlaffördernder Wirkung . Diese Substanzen könnten über den Liquor die circumventrikulären Organe erreichen.
  • Ebenso wurde eine direkte Besiedelung der Zirbeldrüse durch Trypanosomen diskutiert [7.2], [7.3], [7.11].
  • Veränderungen in Hormonspiegeln (Cortisol, Melatonin, Prolaktin) wurden dokumentiert [7.12], [7.13].
  • Der Nucleus suprachiasmaticus, das Zentrum der inneren Uhr, reagiert empfindlich auf Glutamat. Eine Infektion mit T. b. brucei reduziert die Glutamatrezeptoren und senkt die c-fos-Expression [7.14], [7.15] - möglicherweise vermittelt durch Interferon-γ [7.12].
  • TNF-α und Stickstoffmonoxid tragen ebenfalls zur Schlafstörung bei und beeinflussen die Durchlässigkeit der BHS sowie die Bildung von Prostaglandinen [7.16], [7.17].
Trotz dieser tiefgreifenden Symptome zeigen sich nach erfolgreicher Therapie meist keine bleibenden Schäden. Das spricht gegen eine direkte neurotoxische Wirkung der Trypanosomen und wird durch Studien an Zellkulturen gestützt [7.18].

Zusammenfassung

Obwohl die Zahl der Neuinfektionen rückläufig ist, bleibt die Gefahr durch Tsetsefliegen und tierische Reservoirs bestehen. Die teils gravierenden Nebenwirkungen der verfügbaren Medikamente machen ein besseres Verständnis der Krankheitsmechanismen umso wichtiger. Traditionell wurde die Schlafkrankheit in zwei Phasen unterteilt: eine frühe hämolymphatische und eine späte meningoenzephalitische Phase. Neuere Erkenntnisse legen jedoch eine feinere Differenzierung nahe [8.1], [8.2]:

  1. Hämolymphatische Phase: Die Parasiten vermehren sich in Blut und Lymphe, ohne Beteiligung der Cerebrospinalflüssigkeit.
  2. Meningo-ventrikuläre Phase: Die Parasiten überwinden die BLS und besiedeln Hirnhäute und Liquorräume, es kommt es zur Fragmentiertung der Schlaf-Wach-Rhythmik. Die BHS bleibt zunächst (weitgehend) intakt.
  3. Enzephalitische Phase: Entzündungsprozesse ermöglichen den Übertritt der Trypanosomen ins Hirngewebe. Die BHS bricht letztlich zusammen, was zu Koma und Tod führen kann.
Ein wichtiger therapeutischer Schluss: Medikamente gegen frühe Hirninfektionen müssen nicht zwingend die BHS überwinden. Eine direkte Gabe in den Liquor - etwa per Lumbalpunktion - könnte ausreichen.


Teile des oben stehenden Textes wurden aus Duszenko M et Mogk S. Brain Infection in African Sleeping Sickness. Chapter in: Ishikawa, Schroten, Schwerk (eds.) Human Cerebrovascular and Cerebrospinal Fluid Barrier, Current Human Cell Research and Applications. Springer, 2025, DOI: 10.1007/978-981-97-9495-9 übernommen und modifiziert.